Ein Abenteuer geht zu Ende

Ein Abenteuer geht zu Ende

Vor mehr als zwei Jahren waren wir, Anne und Lukas, auf der Suche nach einem Einstieg in die biologische Landwirtschaft. Ohne viel Kapital, ohne einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Familie, aber vielen Ideen, Tatendrang und Idealvorstellungen. Bei unserer Suche sind wir über Hofübergabeseminare des Öko-Junglandwirte-Netzwerks und das Portal hofsuchtbauer.de auf den Betrieb Bio Renner aufmerksam geworden. 

Denn es gibt nicht nur junge Menschen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen möchten, sondern auch genauso viele Betriebe, die keine Nachfolge haben – Thema Höfesterben. Diese können den Hof nur auflösen, verkaufen oder an den nächstgrößeren Betrieb abgeben – oder eine sogenannte externe Hofübergabe, also eine Weiterführung des Betriebes außerhalb der Familie anstreben. Dazu haben sich auch Dieter und Gabi entschlossen, deren Kinder andere Lebensziele haben, als den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Der Bio Renner soll weiter laufen!

Nach einem ersten Beschnuppern auf einer Kneipentour durch Neustadt und vielen, vielen daran anschließenden Treffen haben wir uns dazu entschieden, gemeinsam mit Dieter und Gabi den Versuch zu wagen. Wir haben unsere Jobs in der Großstadt aufgegeben, die Zelte in Mainz abgebrochen und unseren Lebensmittelpunkt ins beschauliche Böbingen verlegt, alles auf Anfang.

Von Beginn an haben wir uns durch die herzliche Art von Gabi und Dieter als Teil der Renner’schen Familie gefühlt. Und nach dem Einzug in Böbingen ging es auch schon los: Feldrundfahrten, die Gegend kennenlernen, das erste mal Trecker fahren, Berufskollegen treffen, als “die Neuen” vorgestellt werden und viel Planung und Saisonvorbereitung während der ruhigeren Wintermonate. Und noch etwas ganz besonderes ist passiert: Unser Nachwuchs wird in der Südpfalz geboren! 

Dann die erste Hochsaison, die sich mit der ersten Corona-Welle und allen damaligen Unwägbarkeiten deckt: Können unsere rumänischen Mitarbeiter:innen kommen? Können wir genügend Unterkünfte bereitstellen? Kaufen unsere Kund:innen trotzdem oder gerade deshalb weiter bei uns ein? Bleiben wir alle gesund? Die Hochsaison ist immer aufreibend und stressig – in Verbindung mit einer Pandemie nochmal ein wenig mehr. Und als allererste Hochsaison und als Neuling erst recht. Trotzdem haben wir sie gemeinsam gemeistert!

Während dieser intensiven Zeit haben wir alle festgestellt, dass aus der Saison unausgesprochene Differenzen, Erwartungshaltungen, Ängste und Bedenken mitgenommen wurden – von allen vieren. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, uns über den Winter externe Hilfe zu holen. Für viele emotionale Sitzungen hat uns Rainer Müller begleitet, gemeinsam mit uns tief gebohrt, viel gerade gerückt und geklärt – aber auch viele neue Fragen aufgeworfen. Niemand von uns hat damit gerechnet, wieviel zu einer Hofübergabe dazu gehört, was neben all dem rechtlichen und juristischen mitgedacht werden muss – auf persönlicher, individueller und emotionaler Ebene. Was muss sich ändern, damit wir auf Kurs bleiben? Wie werden wir unseren gegenseitigen Erwartungen gerecht? Wie können wir unsere eigenen Arbeitsbereiche finden oder aufbauen? Zu Beginn des Jahres sind wir wieder guter Dinge und starten mit neuem, frischen Tatendrang in unser zweites Jahr!

Die zweite Hochsaison findet noch immer unter Corona-Bedingungen statt, wenn auch vorausschaubarer und geplanter. Aber nicht nur deshalb lief sie viel geregelter ab: Anne und ich hatten mittlerweile einen Überblick über die komplexen Betriebsabläufe gewinnen können, haben unseren Platz gefunden und uns als echte Unterstützung und nicht mehr nur als Lehrlinge gefühlt. Aha, so muss richtig guter Spargel also aussehen!

Nach zwei aufregenden Jahren haben wir uns nun dazu entschieden, wieder getrennte Wege zu gehen. Mit dem Ende des Sommers werden wir den Betrieb Bio Renner verlassen.

Es waren zwei unvergessliche Jahre, die wir nicht missen wollen. Wir alle haben enorm viel gelernt – über uns, über das Leben auf dem Land, über das miteinander Arbeiten, über die Freuden und Strapazen der Landwirtschaft, über die enormen Herausforderungen des ökologischen Wirtschaftens. Wir ziehen den Hut vor Gabi und Dieter, ihrer Arbeit und ihrem Anspruch einen kleinen familiären Bio-Betrieb am Leben zu erhalten.

Unsere Gründe, einen anderen Weg einzuschlagen sind vielfältig. Die Lebensentscheidung   den Weg als Unternehmer:in oder Selbstständige:r einzuschlagen, ist gewaltig. Dazu gehören sämtliche Konsequenzen, Unsicherheiten, Vor- und Nachteile des “sein-eigener-Chef-sein”. Vollständige Hingabe an ein Projekt, der unbedingte Wille, dieses mit voller Kraft voranzutreiben sind dafür unverzichtbar. Vielleicht ist die Hofübergabe für uns in eine Zeit gefallen, in der wir dies nicht mitbringen können. Der neue Lebensmittelpunkt, unser erstes Kind, ein zweites, das unterwegs ist. Mit unseren Vorstellungen von Familienzeit ist diese Form des Arbeitens – zumindest zur Zeit – nicht vereinbar. Dazu kommt die Tatsache, sich “für immer” zu binden, die Entscheidung, den Rest des Lebens in diesem Beruf, dieser Tätigkeit, diesem Umfeld zu verbringen. Eine weitere Entscheidung für die wir so (noch) nicht bereit sind.

Man könnte uns vorwerfen, diese Dinge doch im Vorhinein gewusst zu haben. Dass eine Hofübergabe und die Existenz in der Landwirtschaft eine gigantische Entscheidung ist, das ist doch klar. Wissen kann man es im Vorhinein, sich vorstellen vielleicht auch, aber weder erleben noch fühlen. Die Arbeit in der Landwirtschaft ist ein Auf und Ab der Emotionen, die ständige Unsicherheit, die Abhängigkeit vom Wetter, vom Markt, das Gefühl des Ausgeliefertseins an teils erschreckende politische Entwicklungen. Dazu kommt, dass eine Hofübernahme emotionaler ist als gedacht: Erwartungshaltungen treffen auf Chaos, lange Erfahrung auf frische Ideen, Idealismus auf Pragmatismus. 

Erfahrungen vererben sich nicht, jeder muss sie allein machen.

Kurt Tucholsky

Auch wenn wir nicht mehr zusammen arbeiten werden und die Hofübergabe vorerst eine Pause nimmt, gehen wir im Guten auseinander. Wir können es nur nochmal sagen: Wir haben großen Respekt vor dem Lebenswerk von Gabi und Dieter. Wir sagen Danke für das Vertrauen und für zwei Jahre, die bleiben werden. Wir wünschen den beiden alles erdenklich Gute, Erfolg für die Zukunft und viel Glück beim nächsten Versuch, den Bio Renner am Laufen zu halten.

Bis bald, dann auf der anderen Seite der Verkaufstheke.

Anne und Lukas 

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