Verantwortung
…Verantwortung annehmen
Dazu haben sich Anne und Lukas im Oktober 2019 entschieden. Gut ausgebildet, kritisch, optimistisch und voller Leidenschaft für eine Branche mit Zukunft, haben Gabi und Dieter den beiden vor etwa einem Jahr zum ersten mal ihren Betrieb vorgestellt.

Es hat zehn Monate mit intensiven, gemeinsamen Gesprächen, Beratungen und Planungen gebraucht, um zu wissen, dass wir vier auf einem guten Weg sind. Gemeinsam wollen wir die Verantwortung eines landwirtschaftlichen Betriebs für die regionale Nahrungsmittelversorgung annehmen und so die Pflege und den Erhalt einer vielfältigen, bunten Kulturlandschaft mitgestalten. Seit mittlerweile knapp sechs Monaten packen wir nun alle Aufgaben zu viert an – und haben schon so einiges umgesetzt!
Lest hier nochmal den Dreiteiler zur Vorgeschichte von Anne und Lukas:
Alles begann in Wien
Eine Pfälzerin und ein Saarländer, die Donauinsel und ein lauer Sommerabend. So kann man sich den Anfang von uns, Anne (30) und Lukas (31), ungefähr vorstellen. 2014 sind wir beide zum Studium nach Wien gezogen und haben uns in der österreichischen Hauptstadt gefunden. Nach Abschluss unseres Studiums (Anne als Agrarwissenschaftlerin und Lukas als Umweltwissenschaftler) war klar: Nach dem Hörsaal möchten wir erstmal abschalten, etwas ganz anderes erleben! So treibt es 2016 und 2017 in die Schweiz auf die Alp, zum Kühe hüten, melken und Käse machen. Unsere “Feuerprobe” hat gezeigt, dass wir gerne und gut zusammenarbeiten und es das ist, was wir uns als Beruf vorstellen wollen: Wir haben die Landwirtschaft als unsere gemeinsame Leidenschaft entdeckt. Beim mit den Händen arbeiten, beim Dinge anpacken, beim Lebensmittel produzieren, beim Mitmischen und Mitmachen in keiner anderen als der biologischen Landwirtschaft. Auch wenn wir das abgeschiedene und rudimentäre Leben auf der Alp sehr genossen haben, wird uns dort oben dennoch bewusst: Das Leben und Arbeiten auf der Alp war ein Abenteuer, das wir nicht missen wollen – trotzdem entspricht es nicht unseren Lebensentwürfen. Es muss einen anderen Weg für uns geben, Landwirtschaft zu unserem Beruf zu machen.

Umweg über Mainz
Zunächst führt uns unser Weg von der Alp nach Mainz. Anne widmet sich voll und ganz dem Aufbau einer kleinen Solidarischen Landwirtschaft im Rhein-Main-Gebiet, während Lukas in die Öffentlichkeits- und Politikarbeit im Bioland Verband eintaucht. So ganz wollen wir dem städtischen Leben noch nicht den Rücken kehren, die Vorzüge weiterhin genießen. Die kulturellen und gastronomischen Angebote, Kinobesuche und Kneipenabende, der Bioladen direkt um die Ecke… Doch schnell wird klar: Das mit der Stadt und dem Rhein-Main-Gebiet ist auf Dauer nichts für uns. Wir möchten näher ran an die Landwirtschaft, wieder ins Dorf und Anne gerne zurück in ihre Heimat, in die Pfalz. Also machen wir uns schlau, hören uns um, besuchen ein Hofübergabe-Seminar und inserieren ein Hofgesuch. Und bekommen daraufhin Post aus Böbingen. Das Schreiben überzeugt uns und somit verabreden wir uns mit Gabi und Dieter zu unserem ersten Treffen auf “neutralem Boden” Anfang Februar.
Nach einem Caféhopping durch die Neustadter Innenstadt steht für uns alle fest: Die Sympathie stimmt, das Zwischenmenschliche auch und somit folgen viele, viele weitere Treffen. Nach den unzähligen Stunden am Küchentisch und dem Jonglieren mit Ideen war uns klar, dass wir den Versuch wagen und die nächsten Jahre gemeinsam angehen möchten. Uns gegenseitig näher kennenlernen, miteinander arbeiten und Neues ausprobieren. Und so Stück für Stück das Lebenswerk der Familie Renner weiterführen.

Umzug nach Böbingen
Im Spätsommer 2019 steht also fest: Wir kündigen unsere Arbeit und unsere Wohnung in Mainz, verabschieden uns von unserem Freundeskreis, packen unseren Hausstand zusammen und ziehen gemeinsam mit unserer Hündin Bille ins Herz von Böbingen.
Seit Oktober arbeiten wir nun gemeinsam im Betrieb: Wir werden von Gabi und Dieter in alle Bereiche eingearbeitet, werden fit gemacht für die kommende Saison und planen gleichzeitig die kommenden Jahre. Wir tauschen Ideen aus, entwerfen Visionen und stecken Ziele ab. Die Zukunftswerkstatt arbeitet auf Hochtouren! Und nun, nach den ersten Monaten können wir beide, Anne und Lukas, sagen: Wir fühlen uns wohl hier. Wir sind froh, diesen Schritt gewagt zu haben!
Wir lieben neue Abenteuer und neue Wege. Und da uns dieser Schritt, der Einstieg in den Betrieb Renner, noch nicht groß genug war, wartet Anfang März, schon unser ganz persönliches nächstes Abenteuer auf uns: Wir erwarten Anfang März ein Baby, echten Bio-Nachwuchs. Somit setzt Anne ab Mitte Januar erstmal für eine Weile im Betrieb aus. Trotzdem möchten wir neben unserer Familiengründung gerne beide – so gut es geht – im Betrieb mitarbeiten.
Wir freuen uns auf alles, was kommt! Die Saison zu erleben, den ersten Spargel zu stechen, Himbeerbäder zu nehmen und schon die ein oder andere Neuerungen umzusetzen. Aber vor allen Dingen nach vielen Umzügen und turbulenten und intensiven Studienjahren endlich anzukommen.

Jetzt schon Verantwortung abgeben…
Der Wunsch von konventioneller Landwirtschaft auf ökologische Anbaumethoden umzustellen ist schon fast 2 Jahrzehnte her. Seit der Geburt von unseren Kindern leben „Wir Renners“ bewusster und hinterfragen seitdem kritisch die Methoden der konventionellen Landwirtschaft.
Die Umstellung auf die biologische Produktion von Lebensmitteln sahen wir damals als den Startschuss für einen verantwortungsvollen Weg in die Zukunft.

Die Bedenken und Sorgen aus der damaligen Zeit sind längst vergessen. Wir sind unseren Weg unbeirrt gegangen.
Und heute ist es an der Zeit in die fernere Zukunft zu schauen. Die gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft ist intensiver denn je und auch auch bei uns wird viel diskutiert, überlegt und quergedacht.
Wie soll es weitergehen? Die kommende Generation steht in den Startlöchern, die Welt verändert sich weiter und auch wir wollen weiter mitgestalten. Aufgeben und in ein paar Jahren die Tore schließen war für uns keine Option. In Absprache mit unseren Kindern haben wir uns deshalb für eine außerfamiliäre Hofübergabe entschieden. Gemeinsam mit „den neuen Jungen“ wollen wir uns auf den Weg machen, Antworten finden, zu viert den Betrieb weiterentwickeln und für die Zukunft fit machen. Wir freuen uns auf hoffentlich noch viele, ereignisreiche, gemeinsame Jahre bevor wir dann die Verantwortung in junge Hände übergeben können.
Blick nach vorn – externe Hofübergabe
Eine innerfamiliäre Hofübergabe ist heute bei weitem nicht mehr so üblich wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Heute entscheiden sich viele Kinder, die auf landwirtschaftlichen Betrieben aufgewachsen sind, eigene Wege zu gehen und den elterlichen Betrieb hinter sich zu lassen. Schließlich bedeutet Landwirtschaft für die meisten ein Leben fernab von geregelten Arbeitszeiten und einem sicheren Einkommen. Vielmehr sehen diese die hohe Arbeitsbelastung, wenig Freizeit, keinen Sommerurlaub, kurze Wochenenden, Existenzängste, neue Herausforderungen in Zeiten des Klimawandels, Dorfleben.
Trotz dieser anscheinend unüberwindbaren Gegebenheiten gibt es aber auch junge Menschen, die nicht auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen sind, und sich dennoch eine Zukunft genau da wünschen. Die Landwirtschaft bietet eben auch spannende, schöne und verantwortungsvolle Herausforderungen.
Landwirt*innen von heute sind nicht einfach nur noch Lebensmittelproduzent*innen. Die Ansprüche an uns sind multifunktional: Neben dem Beruf Landwirt*in sind wir gleichzeitig auch Betriebswirt*in, Tierhalter*in und Pflanzenanbauer*in, Lebensmittelhändler*in und Öffentlichkeitsarbeits- und Social-Media-Expert*in, im besten Falle auch noch Umwelt-, Natur- und Tierschützer*in.
All diese abwechslungsreichen Tätigkeitsfelder machen die Landwirtschaft so interessant, dass sich junge Menschen ohne eigenen Betrieb auf die Suche nach einem für sie geeigneten Hof machen. Mittlerweile gibt es Hofbörsen und Hofübergabeseminare, die sich alle zum Ziel gesetzt haben, Hofsuchende und Hofübergebende zusammenzubringen, um so dem Strukturwandel und dem dramatischen Sterben von landwirtschaftlichen Familienbetrieben entgegenzuwirken.